Sonnenfinsternis mit karibischem Flair

Reisebericht zur totalen Sonnenfinsternis am 26.02.1998 auf der Insel Curacao (Niederländische Antillen) 
von Silvia Kowollik

  

 

"God morning, Madam. Please, can You tell me the way to the Eclips Camp?" 

Diese Frage stellte ich am Morgen des 23. Februar 98 häufiger. Die Sonne brannte gnadenlos auf die Nordspitze der Insel Curacao, das Thermometer zeigte gegen 11 Uhr Ortszeit bereits mehr als 30 °C und unser Mietauto hatte sich längst in eine rollende Minisauna verwandelt.  

  3 Tage vor dem Tag X inspizierte ich gemeinsam mit meinen Begleitern das Gelände bei Watamula, von dem aus wir die totale Sonnenfinsternis am 26. Februar beobachten und fotografieren wollten. Überall im Dorf Westpunt standen Schilder mit der Aufschrift "Welcome in Eclips Village", aber kein einziger Wegweiser zeigte die Richtung zum Camp. Die Einheimischen waren sehr freundlich, aber die Auskünfte waren eher dürftig. Lag es an der Sprachbarriere, oder war ich zu früh da? Endlich erwischte ich eine gesprächige Dame, die uns den Weg beschreiben konnte. Wie weiße Murmeln leuchteten ihre Zähne im dunkelbraunen Gesicht, als sie mir lachend den Weg zum Camp beschrieb. 
     
Über eine Sandpiste ging es etliche Kilometer durch die Wildnis. Meterhohe Kakteen und dornige, vertrocknet aussehende Sträucher säumten den Weg, der sich in weiten Schleifen durch das Land zog, ab und an huschten Eidechsen über die ausgetrocknete Landschaft und das grelle Licht der hochstehenden Sonne blendete nach kurzer Zeit die Augen. Der stetig wehende Wind blies uns Staub und Sand ins Gesicht und dörrte unsere Kehlen aus. Die Farbe des Bodens wandelte sich ständig von staubig grau über lehmig rot zu grell weiß.  
     
Mehrmals kreuzten schmale Trampelpfade unseren Weg und dann stand mitten im Nichts ein Verkehrsschild. Sackgasse. "Da lang, da müssen wir richtig sein" dachte ich mir und fuhr weiter. Kurz darauf öffnete sich die staubige Piste zu einem großen runden Platz, auf dem bereits einige Fahrzeuge parkten. Gegen den Wind hörten wir das Donnern der Brandung und vor unseren Augen stiegen weise Gischtfontainen in die Höhe. Das Meer war tiefdunkelblau und kurz vor den Klippen wechselte es auf türkies. Der Boden erzitterte bei jedem Aufprall der Wellen, und aus den Tümpeln stiegen kleine Luftbläschen auf. 

Die Sonne stand fast im Zenit, weit und breit kein Schatten (und kein Klohäuschen). Damit fiel dieser Ort durch mein persönliches Raster. "Hier wird nicht beobachtet." entschied ich spontan und nach kurzer Zeit fuhren wir wieder zurück Richtung Wilhelmstad, zu unserem Bungalow, Klimaanlage und Kühlschrank. Dort studierte ich nochmals eifrig unsere Karte und schließlich fiel die Entscheidung: "Wir beobachten von hier aus". Hier, das war unser Bungalow an der Piscadera-Bai, einem Vorort von Wilhelmstad. Damit verschenkten wir zwar 53 Sekunden Beobachtungszeit, hatten aber garantierten Schatten, kühle Getränke für meine 3 nichtastronomischen Reisebegleiter und eine Toilette. 

     
  Die restliche Zeit bis zur Sonnenfinsternis verbrachten wir mit Sightseeing rund um die Insel, dem Zuschauen diverser Carnevalsumzüge in Wilhelmstad und Schnorcheln im kristallklaren Wasser, wo wir Korallen, Fische aller Art und Seepferdchen beobachteten. Um uns vor der tropischen Sonne zu schützen, badeten wir mit T - Shirt. Traumhafte Sonnenuntergänge verwöhnten unsere wintergeschädigten Gemüter, den Gaumen erfreuten wir mit Pinacolada, exotischen Fruchtpunschdrinks und literweise Eistee und bei Dennys, einem einheimischen Fastfoodrestaurant, gab es Hamburger in allen Variationen...   
                                                                       
  Am 26. Februar, dem Tag X, verschlief ich die größte Panik unter den Sonnenfinsternisbeobachtern. Da ich vom Bungalow aus beobachten wollte, hatte ich mir keinen Wecker gestellt. Somit konnte ich die dunklen Regenwolken nicht sehen, die gegen 7 Uhr Ortszeit aufzogen und sich kurz darauf in einem tropischen Regenguß entluden. Dem ersten seit ca. 4 Monaten auf der Insel. Ca. 30 Minuten öffnete der Himmel seine Schleusen und auf der Straße Richtung Norstsitze der Insel kam der Verkehr wegen überfluteter Straßen fast zum Stillstand. Von der Bevölkerung ersehnt, von den Sonnenfinsternnistouristen gefürchtet, bestimmten die Wassermassen das Tempo.   
  Gegen 10 Uhr jedoch klarte es auf und als ich mit dem Aufbau meiner Geräte begann, war der Himmel weitgehend wolkenfrei. Leider hatte ich zu Hause meine Montierung nicht überprüft, ob ich sie auch auf 12 Grad Nord einstellen konnte. Das rächte sich nun. Murphy schlug zu - es ging nicht. "Was nun? - Füße kippen". Aber dann stand das Stativ so kippelig da, daß schon der leiseste Windhauch es umzuwerfen drohte. Und Wind hatten wir reichlich.   
     
  Also baute ich mein Fernrohrstativ samt Montierung ab und setzte mein "Tönnchen" eben auf das mitgebrachte Fotostativ. Bei 1000 mm Brennweite wandert die Sonne aber schnell aus dem Gesichtsfeld. Alle paar Sekunden mußte ich Deklination und Rektaszension neu einstellen. Das war lästig. Mein Mann sagte vom Balkon aus die Zeit an und erinnerte mich an die richtigen Augenblicke zum Fotografieren.   
     
  Aber der Anblick der "angeknabberten Sonne" war die Mühe wert. Meine erste totale Sonnenfinsternis. Im Garten des Nachbarbungalows saßen einige Einheimische und guckten von Zeit zu Zeit mit ihren Pappbrillen Richtung Sonne. Schließlich kam eine Frau auf mich zu und fragte "Are You Scientist? Wat are You doing?" Also erklärte ich ihr, dass ich extra wegen der Finsternis auf die Insel gekommen wäre, und die Finsternis fotografieren wolle.   
     
  Dann lud ich sie ein, mal durch mein Teleskop zu schauen. Von dem Anblick war sie begeistert. "Thats great. Wou. May my family look through, too?" Als ich nickte, wurde ich im Nu von ihrer Familie umringt, und Fragen prasselten auf mich nieder. Fast hätte ich vergessen, den Verlauf alle paar Minuten mit einem Foto zu dokumentieren. Kurz vor der Totalität konnte ich unter dem Gebüsch feine Sonnensicheln auf dem Boden sehen. Und fliegende Schatten - wie feine Rauchschleier schlängelten sie sich über den Boden, ähnlich den Lichtkringeln am Grund eines Schwimmbeckens.   
     
  Dann ging es rasend schnell, die Sonnensichel wurde zusehends schmaler, Venus und Jupiter erschienen am Himmel, das Licht wurde seltsam grau und dann konnte ich mit blosem Auge die Korona sehen. "Filter runter, schnell, schnell, ich hab nur 2 Minuten" dachte ich und zog die Filter vom Teleskop und meinem Foto ab. Und Murphy schlug erneut zu. Ich hatte dabei die Schärfe verstellt. "So ein Mist!" Mit fahrigen Händen versuchte ich zunächst an der Russentonne und dann am Foto die Schärfe neu einzustellen. Die Sekunden tickerten davon. Endlich, endlich scharf.   
   
  Mit blosem Auge sah ich Venus, Jupiter, die Korona und Merkur. Nach Mars habe ich nicht gesucht, ich versuchte vielmehr Jupiter und die Korona zusammen zu fotografieren. Bei all der Hektik hatte ich jedoch total vergessen, daß ich die Belichtungszeit noch ändern wollte. Somit habe ich alle meine Bilder viel zu kurz belichtet - bei 1/500 s bzw. 1/250 s habe ich zwar die inneren Teile der Korona und eine Protuberanz erwischt, von Jupiter aber keine Spur auf den Dias. Schade.    

Aber bei der nächsten Sonnenfinsternis. Da wird alle anderst. Am 11. August 99 in Ludwigsburg. Da kann ich von zu Hause beobachten. Da stimmt die Polhöhe, da läuft die Nachführung, da stehen alle Fotos in Reih und Glied auf dem Querträger unter meiner Russentonne. Da wird alles besser.

Wenn, ja - wenn keine Wolken da sind...


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Letzte Aktualisierung: 01.04.00