Die Philips ToUcam 740 Pro in der Astronomie  
von 
Silvia Kowollik

letzte Änderung:
9.2.2005

 
Beim Astroworkshop 2002 auf der Sternwarte Gahberg wurde in einem Tagungsbeitrag die ToUcam 740 Pro der Firma Philips vorgestellt. Diese Webcam ist preisgünstig und erlaubt ihrem Besitzer auch ohne Umbau bereits einige Möglichkeiten der Bildgewinnung am Teleskop. Die einzigen Voraussetzungen sind ein Computer mit USB-Port und ein Fernrohr oder ein lichtstarkes Fotoobjektiv. Beides ist bei mir vorhanden und so entschloß ich mich, diese Webcam zu testen...
Die hier gelb eingefärbte Ummantelung der Optik der Webcam wird abgeschraubt und gegen einen Adapter vertauscht, der in jeden 1 1/4 Zoll Okularauszug paßt. Ich erstand meinen Adapter auf dem ITV 2002 direkt bei Michael Mushardt. Besonders praktisch fand ich, daß das Gewinde des Adapters extra auf diese Webcam abgestimmt ist.
Auf diesem Bild erkennt man im Inneren der Webcam den CCD-Chip, der für die Astrogemeinde so interessant ist. 

Die Webcam erlaubt ohne Umbauten oder Softwareupdate Belichtungszeiten zwischen 1/10.000 s und 1/25 s. Für helle Objekte wie Sonne, Mond und Planeten sind diese Zeiten gut zu gebrauchen.

Mit der in der Packung beigefügten Software kann man mit verschiedenen Programmen einzelne Bilder oder AVI-Files aufnehmen. Zur Weiterverarbeitung verwende ich das Programm "Giotto" von Georg Dittie.

Nach dem Kauf der Webcam installierte  ich zu Hause die mitgelieferte Software und probierte sie aus. Zuerst mit der mitgelieferten Optik. Aber ich hatte Probleme mit Giotto. Da es zu diesem Programm keine Hilfefunktion gibt, war erstmal Schluß mit Lustig. Aber beim ITV 2002 entdeckte ich Astrokollegen, die mit dieser Webcam arbeiteten. Roland Herrmann und Matthias Rückemann gaben mir wertvolle Tipps für meinen Test.
Die Webcam wurde mit dem Adapter in das Zenitprisma eines 4 Zoll Refraktors eingeschoben. So konnte das Sonnenbild am Monitor scharfgestellt werden. Am Objektiv wurde ein selbstgebasteltes Sonnenfilter aus Baaderfolie aufgesetzt. 
Einzelbild bei 1,5 m Brennweite, Belichtungszeit 1/5.000 s, kein Flatfield

Bildautor: Matthias Rückemann

1. Versuch mit einer Russentonne am 13.05.2002
Wieder zu Hause habe ich meine 10/100 Russentonne aufgebaut, das Glasobjektivsonnenfilter aufgeschraubt und ebenfalls mit dem Zenitprisma versucht, auf die Sonne scharf zu stellen. Das war eine elende Fummelei. Irgendwann merkte ich dann, daß ich auf Dreck im Strahlengang und nicht auf einen Sonnenfleck scharfgestellt hatte. Also verfuhr ich, bis ich den Sonnenrand auf dem Monitor hatte und stellte erneut scharf. Leider war das Bild nicht so brilliant wie bei Matthias. Den Dreck eliminierte ich, indem ich auf eine Region der Sonne verfuhr, die ohne Sonnenflecken war, machte mit der gleichen Kameraeinstellung ein Einzelbild und zog dieses als externes Flatfield mit Giotto vom Sonnenbild mit Fleckengruppen ab. Das linke Bild zeigt das Ergebnis dieser Rechenoperation. Für ein 4 Zoll Spiegelteleskop doch nicht schlecht ;-))...
Als nächstes Testobjekt nahm ich mir die hellen Planeten am Abendhimmel vor. Mit dem 17 mm Okular stellte ich Venus genau in die Mitte, dann schob ich die Webcam in den Okularauszug. Ich mußte ein bischen verfahren, bis ich die defokussierte Planetenscheibe auf dem Monitor sah. Vorsichtig versuchte ich sie schärfer abzubilden. Dabei fiel mir auf, daß sich der Durchmesser des Scheibchens länglich verzog, wenn ich die Schärfe regelte...
Nach ca. 3 Minuten hatte ich dann ein deutlich schärferes Bild, aber es war fast unmöglich, den Kringel in der Mitte des Bildschirmes zu behalten. Jedes mal, wenn ich an der Schärfe regelte, verschwand der Lichtfleck aus meinem Gesichtsfeld und ich mußte mühsam nach ihm suchen... Außerdem stellte ich fest, daß die Aufstellung meines Statifes nicht genau genug für die hohe Vergrößerung war. Langsam lief die Venus nach außen weg... Leider war sie dann bald in den horizontnahen Dunstschichten und ich mußte mir ein neues Objekt suchen...
Mehrmals war mir Jupiter aus dem Bildfeld gelaufen, als ich zufällig einen anderen hellen Stern knackig scharf abgebildet bekam. Das Seeing wurde immer schlechter - mein Nachbar heizt noch und die warme Luft flimmerte durch mein Gesichtsfeld. Also brach ich diesen Versuch enttäuscht ab. Für Planeten ist meine Aufstellung auf dem Balkon ungeeignet. Schon wenn ich mich bewegte, wanderte der Stern fast um 1/3 durch das Gesichtsfeld...
Den nächsten Versuch mache ich mit den Instrumenten der Sternwarte Stuttgart - sie sind fest montiert. Schau mer mal...
2. Versuch am 7'' Zeiss-Fernrohr der Sternwarte Stuttgart:
Da ich am 16.5.02 tagsüber Zeit hatte, versuchte ich zuerst die Sonne, aber das Ergebnis hat mich nicht überzeugt. Bei 2,5 m Brennweite war es sehr schwer, überhaupt ein scharfes Bild zu bekommen. Auch hier war jede Menge Dreck im Strahlengang. Um den Dreck rauszurechnen, machte ich auch eine Flatfieldaufnahme. Und hier nun das Ergebnis. Vielleicht wird es besser, wenn ich mir einen neuen Sonnenfilter aus Baaderfolie mache. Andernfalls ist das Zeiss für die Sonnenbeobachtung nicht geeignet. Eventuell ist hier die Brennweite bereits zu groß...
Dann versuchte ich mein Glück am Mond. Tagsüber ist das ein gewagter Versuch, da durch den hellen Himmel kaum Kontrast vorhanden ist. Aber durch die Konturen konnte ich doch einfacher scharf stellen als bei der Sonne...
Diese Aufnahme zeigt den Dreck im Strahlengang. Um zu einem "sauberen" Bild zu kommen, muß diese Aufnahme vom Rohbild abgezogen werden. Die selbe Technik wird auch bei CCD-Aufnahmen angewendet...
Und hier nun das Endergebnis. Nicht berauschend, aber am Taghimmel war auch nicht mehr zu erwarten...
Hier noch ein weiterer Versuch an einer anderen Mondformation, die Sonne war mittlerweile nur noch knapp am Horizont und der Kontrast schon besser...

Allerdings habe ich mir hier nicht mehr die Mühe gemacht und den Dreck rausgerechnet.

3. Versuch am 7 '' Starfire der Sternwarte Stuttgart am 16. Mai 2002:
Gegen 23 Uhr hatte ich nach unserer öffentlichen Führung noch kurz Gelegenheit, die Webcam an dem 7'' Starfire der Sternwarte auszuprobieren. Bei 1,5 m Brennweite war das Scharfstellen überhaupt kein Problem, und ich war echt überrascht, als ich mit der Webcam sogar 2 Jupitermonde sehen konnte. Jupiter selbst ist auf dieser schwarz/weis Aufnahme überbelichtet, so daß keine Details mehr sichtbar sind.

Aber dieses erste Ergebnis hat mich überzeugt. An diesem Instrument werde ich weitere Experimente machen!

4. Versuch am 7 '' Starfire der Sternwarte Stuttgart am 20. Mai 2002:
Am Pfingstmontag war es dann soweit, der Himmel klar und die Luft  nicht zu unruhig. Also baute ich die Webcam erneut an unser Starfire auf der Terasse an und peilte den Planeten Jupiter an. Zuerst hatte ich nur einen fetten Klecks auf dem Bildschirm, aber dann schaltete ich nacheinander alle Automatikfunktionen aus und regelte die Belichtungszeit von Hand auf immer kürzere Zeiten. Und auf einmal waren dann schwache Details zu sehen. Das nebenstehende Bild ist ein Summenbild aus 16 Bildern, ansonsten nicht weiter bearbeitet. Belichtungszeit 1/500 s, Auflösung 355 x 288.
Da Jupiter sehr schnell im Dunst über der Stadt verblaßte, habe ich als nächstes Objekt den Mond gewählt. Hier habe ich wieder alle Automatiken eingeschaltet und bin auf volle Bildauflösung von 640 x 480 gegangen. Das beste Ergebnis erzielte ich, als ich auch noch die Gegenlichtautomatik einschaltete.

Wie bei einer Videokamera konnte man das Wabern des Bildes durch die Luftunruhe am Monitor beobachten. In ruhigen Momenten konnte ich die Schärfe noch leicht nachregeln und so entstand dieses Einzelbild.

Ich fand es sehr erstaunlich, wie viele Details ich auf einem einzigen, unbearbeiteten Bild sehen konnte. Neugierig geworden, zog ich meinen Rückel zu Rate und stellte fest, daß bei 1,5 m Brennweite im Fokus die kleinsten Details ca. 6 km im Durchmesser haben. Wou! Von links nach rechts ist das Bild ca. 620 km breit.
Und hier nun eine Karte der Gegend, die ich abgelichtet habe. Achtung, die Karte ist 960 kB groß! 
5. Versuch am 7 '' Starfire der Sternwarte Stuttgart am 23. Juni 2002:
Mein nächster Versuch galt engen Doppelsternen mit unterschiedlichen Oberflächentemperaturen. Als erstes Versuchsobjekt nahm ich mir Albireo vor. Etwas defokussiert zeigten sich die Beugungsscheibchen bei 1/33 s Belichtungszeit überraschend hell. Mit der Webcam kann man also auch die Optik beurteilen. Sind die Beugungsscheibchen nach beiden Seiten des Schärfepunktes gleichmäßig rund, so ist die Optik in Ordnung...
Und hier nun ein Summenbild von Albireo und seinem 5,1 mag hellen Begleiter ebenfalls bei 1/33 s Belichtungszeit.
6. Versuch am 7 '' Starfire der Sternwarte Stuttgart am 24. Juni 2002:
Als nächstes versuchte ich mich trotz Vollmond an Epsylon Lyrae, bei gutem Seeing konnte ich auf dem Bildschirm einwandfrei alle 4 Komponenten deutlich getrennt sehen.

Aufnahmedaten: 1/33 s Belichtungszeit, alle "Automatikhäkchen" weggeklickert und manuellem Weißabgleich. Bildformat: 352 x 288

7. Versuch am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart am 28. Juli 2002:
Sonnenflecken und Randabdunkelung:

Dieses Bild entstand als Okularprojektion am 7 " Starfire (Brennweite 1759 mm),  und zeigt die Randabdunkelung sowie ca. 35 Sonnenflecken. Da die Sonne zum Aufnahmezeitpunkt bereits ca. 4° über dem Horizont stand, erkennt man auch die unterschiedlich starke Färbung sowie die Abplattung durch die Atmosphäre.
Filter: Objektivsonnenfilter aus visueller Baaderfolie, 
Okular: 32 mm  + eigene Optik der Webcam,
Belichtungszeit: 1/2500 Sekunde,
Datum: 28.07.2002

Animation eines Sonnenuntergangs:

Diese Animation setzt sich aus 23 Einzelbildern zusammen und ist 815 kB groß.
Filter: Objektivsonnenfilter aus visueller Baaderfolie, 
Okular: 32 mm  + eigene Optik der Webcam,
Belichtungszeit: 1/2500 Sekunde,
Datum: 28.07.2002

8. Versuch am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart am 9. 8. 2002:
Saturn in der Morgendämmerung:

Diese Aufnahme ist ein Summenbild aus 290 Einzelbildern im Format 355 x 288 Pixel und wurde im Fokus des 7 " Starfire mit 1759 mm Brennweite. 
Filter: keiner
Belichtungszeit der einzelnen Bilder: 1/25 Sekunde
Datum: 09.08.2002 gegen 3.30 Uhr MESZ

9. Versuch am 7" Zeiss der Sternwarte Stuttgart am 9.8.2002:
Saturn in der Morgendämmerung:

Diese Aufnahme ist ein Summenbild aus 290 Einzelbildern im Format 355 x 288 Pixel und wurde im Fokus des 7 " Zeiss-Teleskopes mit 2600 mm Brennweite. 
Filter: keiner
Belichtungszeit der einzelnen Bilder: 1/25 Sekunde
Datum: 09.08.2002 gegen 4 Uhr MESZ

10. Versuch am 8" Zeiss der VdS-Sternwarte Kirchheim am 16.8.2002:
Protuberanz am Sonnenrand:

Diese Aufnahme entstand am 200/3000 AS-Refraktor der VdS-Sternwarte Kirchheim in Thüringen am 16.08.2002 gegen 19.30 Uhr MESZ im Fokus.
Belichtungszeit:1/250 Sekunde.
Filter: DayStar Filter (0,5 Angström)

 

11. Versuch am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart:
Jupiter mit Monden:

Das nebenstehende Bild zeigt Jupiter und die Monde Europa, Io und Ganymed.
Summenbild aus 80 Aufnahmen, mit Giotto weiterverarbeitet, Belichtungszeit der einzelnen Bilder: 1/100 Sekunden, 14.09.2002, gegen 4:30 Uhr morgens.

12. Versuch am Sucher mit Coronadofilter der Sternwarte Stuttgart:
Sonnenflecken, Flares, und Lichtbrücken:

Diese Aufnahme entstand am Sucher des Zeiss-Fernrohres mit dem neuen Coronado-Sonnenfilter am 15.09.2002 gegen 18 Uhr und ist ein Summenbild aus 80 Einzelbildern unter Verwendung einer gemittelten Flattfieldaufnahme, Bildbearbeitung durch Giotto. Belichtungszeit der Einzelaufnahmen: 1/50 Sekunde

Protuberanzen, Filamente und Granulation:

Diese Aufnahme entstand am Sucher des Zeiss-Fernrohres mit dem neuen Coronado-Sonnenfilter am 15.09.2002 gegen 18:30 Uhr und ist ein Summenbild aus 100 Einzelbildern unter Verwendung einer gemittelten Flattfieldaufnahme, Bildbearbeitung durch Giotto. Belichtungszeit der Einzelaufnahmen: 1/50 Sekunde

 

13.Versuch am 7" Starfire (20.10.02):
Saturn ohne Infrarotfilter:

Da am Starfire bauartbedingt das Infrarote Licht einen anderen Fokus hat, sind die Bilder ohne IR Filter alle leicht unscharf, mit Giotto habe ich mir bislang so geholfen, daß ich die Rotbilder etwas kleiner gerechnet  und dann die einzelnen Farbkanäle neu zusammengesetzt habe. Das ist mühsam.

Saturn mit Infrarotfilter:

Also habe ich einen IR Filter in den Adapter geschraubt und war überrascht, wie deutlich die Qualität zunahm. Selbst bei den unbearbeiteten Rohbildern am Monitor erschien mir der Ring deutlich schmaler und schärfer. Also werde ich in Zukunft Planeten nur noch mit diesem Filter aufnehmen...

   
1 1/2 Jahre nach diesen ersten Versuchen beherrsche ich mittlerweile die Webcam und den Weißabgleich, so daß meine neuen Bilder nun mit korrekter Farbe und Schärfe bestechen:
   
Venus:

bei ca. 4,8 Meter Brennweite am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart (Brennweite mit 3x Barlow verlängert)

Aufnahme am 24.5.2004

Filter: B+W UV-IR-Cut

   
Mars:
bei ca.4,8 Meter Brennweite am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart (Brennweite mit 3x Barlow verlängert)

Aufnahme am 28.8.2003 gegen 2:45 Uhr

Filter: B+W UV-IR-Cut

   
Jupiter:

bei 3,2 Meter Brennweite am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart (Brennweite mit 2x Barlow verlängert)

Aufnahme am 16.04.2004 gegen 23:45 Uhr

   
Saturn:
bei 3,2 Meter Brennweite am 7" Starfire der Sternwarte Stuttgart (Brennweite mit 2x Barlow verlängert)

Aufnahme am 4.2.2005 gegen Mitternacht
   
   
Fazit: Diese Webcam ist auch ohne Umbau geeignet für Sonne, Mond, Planeten und enge, helle Doppelsterne. 

Am Monitor können viele Besucher gleichzeitig sehen, was das Fernrohr zeigt. Und auf sehr einfache Art können gleichzeitig Bilder gewonnen werden. Das lästige Umkopieren von Videoaufnahmen mit Hilfe einer TV-Karte in den PC entfällt, die Bilder liegen im .bmp Format direkt auf der Festplatte und können beliebig weiterverarbeitet werden...

Allerdings ist eine genaue Aufstellung des Fernrohrs notwendig, damit das Objekt nicht dauernd aus dem Bildfeld wandert. Und die Nachführung muß mit sehr feinen Schritten korrigiert werden können. Um scharfe Bilder zu erhalten ist es außerdem notwendig, das Teleskop gut auskühlen zu lassen.


Noch Fragen oder Anregungen? Einfach eine Mail an: "astro@silvia-kowollik.de".


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